Testamentsauslegung und -gestaltung in besonderen Fällen – Teil 1 –

Besonders in privatschriftlichen Testamenten, gelegentlich aber auch in notariellen Testamenten, haben der oder die Erblasser (bei einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag) Regelungen verfügt, die Anlass zur Testamentsauslegung geben. Es gibt mehrere Sonderfälle, die in der täglichen Praxis häufiger vorkommen.

1. Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis

Sind mehrere Erben berufen, führt die Durchführung der gesetzlichen Teilungsregeln häufig dazu, dass wirtschaftliche Werte, insbesondere Immobilien, durch Veräußerung zerschlagen werden. Auch dann, wenn sich die Erben nicht über eine eigentumsrechtliche Zuordnung verständigen können, müssen Immobilien verkauft werden bzw. werden in einem Teilungsversteigerungsverfahren verwertet.

Teilungsanordnung

Zur Vermeidung solcher Nachteile kann der Erblasser von den gesetzlichen Auseinandersetzungsregelungen abweichende Teilungsanordnungen treffen. Diese Teilungsanordnungen sind als solche nicht bindend, d. h. der Erblasser, der in einem gemeinschaftlichen Testament eine Teilungsanordnung getroffen hat, kann diese Anordnung anschließend alleine ändern. Auch sind Teilungsanordnungen in einem Erbvertrag nicht vertraglich möglich, d. h. auch in diesem Fall kann die Teilungsanordnung einseitig geändert werden. Nur dann, wenn einer Teilungserklärung Vermächtnis- oder Auflagencharakter zukommt, ist auch eine Bindung der Beteiligten möglich.

Mit der Teilungsanordnung ist kein unmittelbarer Besitzübergang verbunden. Es bedarf vielmehr des dinglichen Vollzugs durch die Miterben im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses. Bis zu der dinglichen Übertragung bleiben die Nachlassgegenstände im gesamthänderischen Eigentum der Miterben (Erbengemeinschaft).

Von Bedeutung ist des Weiteren, dass die Teilungsanordnung nicht zur Folge hat, dass demjenigen, dem der Nachlassgegenstand zugewendet wird, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses mehr zukommt, als ihm quotenmäßig zustehen würde. Erhält der Miterbe, dem ein Nachlassgegenstand im Wege der Teilungsanordnung zugewendet wird, wertmäßig mehr, als ihm zustehen würde, so ist er den anderen Miterben gegenüber zum Ausgleich verpflichtet.

Ein Sonderfall stellt die “überquotale“ Teilungsanordnung dar. Hat der Erblasser einem Miterben Nachlassgegenstände zugewendet, deren Wert über dem Gesamtwert der von ihm für den jeweiligen Miterben bestimmten Zuteilungsquote am Gesamtnachlass liegt, so muss geprüft werden, ob es sich in Abgrenzung zur Teilungsanordnung um ein Vorausvermächtnis handelt.

Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, ob der Erblasser dem Begünstigten den Mehrwert zusätzlich zu seinem Erbteil zuwenden wollte, dann handelt es sich bezüglich des Mehrwerts um ein Vorausvermächtnis. Oder ob eine entsprechende Zuwendung ausgeschlossen sein soll, dann spricht vieles für eine Teilungsanordnung.

Im Falle der Teilungsanordnung ist der “überquotal“ Begünstigte verpflichtet, den ihm nicht zustehenden Mehrwert wieder auszugleichen.

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Vorausvermächtnis

Unter einem Vorausvermächtnis ist die vermächtnisweise Zuweisung eines Nachlassgegenstandes an einen Miterben zu verstehen, wobei der Erblasser den Willen hat, den Bedachten gegenüber den übrigen Miterben wertmäßig besser zu stellen. Es handelt sich um einen dem begünstigten Miterben zugeordneten nichtausgleichspflichtigen Mehrwert. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob der Erblasser dem Begünstigten einen Vermögensvorteil verschaffen wollte (Begünstigungswille).

Weiterhin ist von Bedeutung, dass der Miterbe, nachdem er die Erbschaft angenommen hat, die Übernahme des ihm durch Teilungsanordnung zugedachten Gegenstandes grundsätzlich nicht verweigern darf. Ein Vorausvermächtnis kann hingegen ohne Weiteres ausgeschlagen werden. Bei Erbschaftsausschlagung wird die Teilungsanordnung, die mit dem Erbteil verbunden ist, gegenstandslos. Ein Vorausvermächtnis besteht unabhängig vom Erbteil hingegen weiter. Ist eine Teilungsanordnung in einem gemeinschaftlichen Testament oder in einem Erbvertrag enthalten, so ist diese jederzeit widerruflich, da sie nicht bindend angeordnet bzw. vertraglich vereinbart werden kann. Ein angeordnetes Vorausvermächtnis kann dagegen mit Bindungswirkung versehen sein. Es kann in diesem Fall nicht einseitig abgeändert werden. Im Falle erbvertraglicher Anordnung eines Vorausvermächtnisses gibt es bereits vor dem Erbfall einen gesetzlichen Schutz gegen beeinträchtigende Verfügungen unter Lebenden. In einem Testament ist daher genau zu formulieren, was gewollt ist:

Soll ein Vorausvermächtnis festgelegt werden, so sollte ausdrücklich verfügt werden, dass die Zuwendung eines bestimmten oder mehrerer bestimmter Nachlassgegenstände im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf den Erbteil, erfolgt. Soll eine Teilungsanordnung bestimmt werden, so sollte formuliert werden, dass bestimmte Gegenstände im Wege der Teilungsanordnung einem – oder auch mehreren – Erben zugewendet werden mit der Maßgabe, dass ein wertmäßiger Ausgleich im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bzw. des Nachlasses zu erfolgen hat.

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