Pflichtteil einfordern und Pflichtteilsklage
Eine Enterbung ist nicht das Ende einer Beteiligung am Nachlass.
Die Forderung des Pflichtteils und die Pflichtteilsklage stehen in engem thematischen Zusammenhang mit der Enterbung naher Angehöriger. Der Erblasser ist rechtlich frei, über sein Vermögen und seinen Nachlass zu verfügen. Diese Freiheit wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass nahe Angehörige, auch wenn sie ausdrücklich durch eine Enterbung nichts vom Nachlass erhalten sollen, eine gesetzliche Mindestbeteiligung erhalten müssen. Diese Mindestbeteiligung, der so genannte Pflichtteil, steht jedoch nur wenigen, sehr nahen Angehörigen des Erblassers zu.
In diesem Artikel informiert Rechtsanwalt Sven Diel über den Pflichtteil, wer ihn beanspruchen kann, wie der Pflichtteil geltend gemacht werden kann, was zu tun ist, wenn die Erben die Auszahlung des Pflichtteils verweigern und wie der Pflichtteil gerichtlich durchgesetzt werden kann.
5 Fakten zum Thema Pflichtteil:
- Der Pflichtteil stellt eine gesetzliche Mindestbeteiligung am Nachlass dar.
- Der Pflichtteil steht nur bestimmten nahen Angehörigen zu, den sogenannten Pflichtteilsberechtigten.
- Voraussetzung für die Geltendmachung des Pflichtteils ist, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zuvor testamentarisch oder durch Erbvertrag enterbt hat.
- Der Pflichtteil muss vom Pflichtteilsberechtigten aktiv eingefordert bzw. eingeklagt werden.
- Das Thema Pflichtteil und Enterbung ist oft von emotionalen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen nahen Angehörigen (Eltern, Kinder, Ehe-/Lebenspartner) begleitet.
Was ist der Pflichtteil?
„Du bist enterbt!“ – ein Satz, den so manch zukünftiger Erblasser im Streit oder bei familiären Zerwürfnissen gesagt und auch so gemeint hat. Doch selbst wenn ein Erblasser diesen Ausruf in seinem letzten Willen wahr machen und bestimmte Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen will, ist ein vollständiger Ausschluss in der Praxis kaum möglich.
Das Pflichtteilsrecht räumt bestimmten nahen Angehörigen trotz Enterbung eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass ein. Zwar kann der künftige Erblasser aufgrund der Testierfreiheit grundsätzlich frei über seinen Nachlass verfügen, doch setzt das Pflichtteilsrecht der Testierfreiheit gewisse Grenzen.
Pflichtteilsberechtigte – wem der Pflichtteil zusteht
Die Liste der Personen, denen von Gesetzes wegen ein Pflichtteil zusteht, ist sehr überschaubar:
§ 2303 Abs. 1 BGB: die Abkömmlinge des Erblassers – an erster Stelle die Kinder, aber auch deren Abkömmlinge (also Enkel oder Urenkel des Erblassers). Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eheliche oder nichteheliche Kinder handelt. Auch Adoptivkinder und zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch ungeborene Kinder sind pflichtteilsberechtigt.
§ 2303 Abs. 2 BGB: Auch der Ehepartner ist pflichtteilsberechtigt. Dies gilt auch für den eingetragenen Lebenspartner (§ 10 Abs. 6 Lebenspartnerschaftsgesetz).
§ 2309 BGB: Solange der Erblasser keine Kinder hat, sind auch seine noch lebenden Eltern pflichtteilsberechtigt. Hat der Erblasser Kinder, entfällt das Pflichtteilsrecht der Eltern.
Neben diesen Personen gibt es keine weiteren Pflichtteilsberechtigten. Geschwister des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt.
Wann brauche ich einen Rechtsanwalt um den Pflichtteil geltend zu machen?
Sie wurden enterbt und wollen Ihren Pflichtteil einfordern? Dann fragen Sie sich vielleicht, ob Sie das alleine schaffen oder ob Sie einen Anwalt beauftragen sollten. Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Es gibt viele Faktoren, die Ihren Fall beeinflussen und die nicht pauschal beantwortet werden können. Deshalb ist es ratsam, sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt für Erbrecht und Pflichtteil beraten zu lassen. Wir erklären Ihnen, warum.
Die Vorteile eines Rechtsanwalts
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Die Nachteile eines Rechtsanwalts
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- Er erfordert Vertrauen. Sie müssen dem Anwalt Ihre persönlichen Situation anvertrauen.
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Höhe des Pflichtteils
Die konkrete Höhe des Pflichtteils richtet sich nach der Anzahl der theoretischen gesetzlichen Erben. Bei der Ermittlung des Pflichtteils wird nämlich so getan, als ob weder ein Testament noch ein Erbvertrag vorläge und die gesetzliche Erbfolge eintreten würde. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Dazu drei Beispiele:
Beispiel 1: Der Erblasser A ist verwitwet und hat drei Kinder. Er möchte seinen Sohn B enterben, so dass seine beiden Töchter M und P sein gesamtes Erbe erhalten.
Nach der gesetzlichen Erbfolge würden alle drei Kinder zu gleichen Teilen je 1/3 des Nachlasses erben.
Der Pflichtteil des Sohnes B beträgt davon die Hälfte, also 1/6.
Beispiel 2: Der Erblasser A ist mit seiner Ehefrau F im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Sie haben zwei gemeinsame Kinder. Erblasser A möchte beide Kinder enterben.
Erbt ein Ehepartner/Lebenspartner neben den Kindern nach gesetzlicher Erbfolge, ist für die Berechnung des gesetzlichen Erbteils – damit auch des Pflichtteils – immer der Güterstand der Ehe maßgeblich.
Nach der gesetzlichen Erbfolge würde die Ehefrau F 1/4 des Nachlasses (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB) sowie 1/4 als Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 1 BGB) somit insgesamt die Hälfte des Nachlasses erben. Die beiden Kinder würden sich die andere Hälfte teilen (jeweils 1/4 je Kind).
Jedem Kind steht somit 1/8 des Nachlasses als Pflichtteil zu.
Beispiel 3: Der Erblasser A ist kinderlos, aber mit seiner Ehefrau F im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Die Eltern des A leben noch. Erblasser A verunglückt tödlich.
Selbst wenn der Erblasser A ein schlechtes Verhältnis zu seinen noch lebenden Eltern hätte und seine Ehefrau testamentarisch zu seiner Alleinerbin einsetzen würde und die Eltern enterben würde, hätten die Eltern einen Pflichtteilsanspruch, da A kinderlos ist.
Nach der gesetzlichen Erbfolge steht der Ehefrau F die Hälfte des Nachlasses zu (§ 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB) sowie 1/4 als Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 1 BGB). Die beiden Eltern des Erblassers A hätten nach gesetzlicher Erbfolge einen Erbteil von je 1/8.
Der Pflichtteilsanspruch der Eltern würde in einem solchen Fall jeweils 1/16 je Elternteil betragen.
Für alle Pflichtteilsberechtigten dürfte von großer Bedeutung sein, wie hoch der Anspruch ist. Grundsätzlich beträgt der Anspruch auf den Pflichtteil eines Berechtigten die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Um diesen feststellen zu können, muss der Wert des zu vererbenden Vermögens und alle gesetzlichen Erben (auch die, die durch Enterbung eigentlich ausgeschlossen wurden) bekannt sein. Wenn nicht anders möglich, ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zu schätzen.
Der Wert des Nachlasses entspricht der Differenz zwischen den Nachlassgegenständen und den Nachlassverbindlichkeiten. Hierfür ist eine Aufstellung von Aktiva, Passiva und Schenkungen der letzten zehn Jahre hilfreich. Ein solches Nachlassverzeichnis kann der Pflichtteilsberechtigte mithilfe des Auskunftsbegehrens gegenüber den Erben einfordern.
Pflichtteilsentziehung
Bei der Geltendmachung des Pflichtteils für die genannten Pflichtteilsberechtigten wird häufig davon ausgegangen, dass eine Enterbung durch den Erblasser nicht vollständig möglich ist. Für die Mehrzahl der Enterbungen trifft dies auch tatsächlich zu, so dass den Berechtigten der Pflichtteil zusteht. In einigen wenigen Fällen steht dem Pflichtteilsberechtigten jedoch kein Pflichtteil zu und er erhält nichts aus dem Nachlass. Dies ist dann der Fall, wenn der Pflichtteil entzogen werden kann.
Die Pflichtteilsentziehung ist eher selten und nach § 2333 BGB nur in bestimmten Fällen überhaupt wirksam. Eine Pflichtteilsentziehung ist z.B. möglich, wenn ein pflichtteilsberechtigtes Kind den Erblasser töten will oder dazu einen ernsthaften Willen hegt. Gleiches gilt, wenn sich das pflichtteilsberechtigte Kind eines Verbrechens oder schweren Vergehens gegen den Erblasser schuldig macht. Der ernsthafte Wille zur Tötung oder zur Begehung eines Verbrechens oder schweren Vergehens kann auch dann zur Pflichtteilsentziehung führen, wenn sich diese Handlungen nicht gegen den Erblasser, sondern gegen dessen Ehe-/Lebenspartner, dessen andere Kinder oder ihm nahestehende Personen richten.
Weitere Gründe für eine Pflichtteilsentziehung sind die böswillige Verletzung von Unterhaltspflichten gegen den Erblasser oder eine Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung, die es dem Erblasser unzumutbar macht, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass in Form des Pflichtteils zu beteiligen. Die Möglichkeit der Verzeihung durch den Erblasser (§ 2337 BGB) lässt die Pflichtteilsentziehung wieder entfallen.
Die Pflichtteilsentziehung muss im Testament oder Erbvertrag genau und ausführlich begründet werden (§ 2336 BGB). Schon aus diesem Grund sind Pflichtteilsentziehungen schwierig und häufig rechtlich angreifbar.
Wer bekommt Pflichtteil trotz Testament?
Wer als Pflichtteilsberechtigter durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurde, wird nicht Erbe. Pflichtteilsberechtigte haben lediglich Anspruch auf eine finanzielle Beteiligung am Nachlass in Höhe des Pflichtteils. Aus diesem Grund haben Pflichtteilsberechtigte auch keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass, sondern nur auf einen finanziellen Ausgleich. Ist man jedoch Erbe geworden und hat die Erbschaft nicht ausgeschlagen, so besteht in der Regel kein Pflichtteilsanspruch.
Zusatzpflichtteil
Der Erblasser kann dem Pflichtteilsberechtigten testamentarisch auch einen geringeren Anteil am Nachlass zuwenden. Dieser Erbteil kann so gering sein, dass das Erbe eines Pflichtteilsberechtigten geringer ist als der eigentliche Pflichtteil (im Falle der vollständigen Enterbung). Damit würde zwar die Enterbung und die Geltendmachung des Pflichtteils vermieden, aber der Erbteil wäre geringer als die Mindestbeteiligung durch den Pflichtteil.
Dazu ein Beispiel:
Der Erblasser A hat drei Kinder und ein Vermögen von 300.000 Euro. Da er zu seinem Sohn S nach einem Streit seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, verfügt er in seinem Testament, dass Sohn S nur 30.000 Euro erben soll. Die beiden anderen Kinder sollen jeweils 135.000 Euro erben.
Würde die gesetzliche Erbfolge eintreten, würden die Kinder jeweils zu 1/3 erben und bei einem angenommenen Nachlass von 300.000 Euro würde jedes Kind jeweils 100.000 Euro erben. Hätte der Erblasser A seinen Sohn S enterbt, hätte dieser einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Erbteils bei gesetzlicher Erbfolge.
Der Pflichtteilsanspruch des Sohnes S hätte somit 50.000 Euro betragen. Sein testamentarisch zugewendeter Erbteil von 30.000 Euro liegt also unter dem gesetzlichen Pflichtteil.
Um diesen Widerspruch aufzulösen und den Pflichtteilsberechtigten nicht schlechter zu stellen als den Enterbten, gibt es den sog. Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB), auch Restpflichtteil oder Pflichtteilsrestanspruch genannt. Danach erhält der Erbe, der mit weniger als dem Pflichtteil am Nachlass bedacht wurde, einen finanziellen Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen Erbe und Pflichtteil.
In unserem Beispiel würde der Sohn S einen Zusatzpflichtteil von 20.000 Euro erhalten (50.000 Euro Pflichtteil – 30.000 Euro Erbe), obwohl er nicht enterbt wurde.
Pflichtteilsergänzungsanspruch
In einem zumindest begrifflichen Zusammenhang steht auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser steht aber nur dem enterbten Pflichtteilsberechtigten zu. Hat der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod Vermögen verschenkt, um den Pflichtteil der enterbten Pflichtteilsberechtigten zu schmälern, so haben die Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch gegen die Erben.
Es wird ein fiktiver Nachlass mit dem verschenkten Vermögen gebildet. Daraus wird unter Anwendung bestimmter Abschmelzungsregeln die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ermittelt.
Pflichtteilsstrafklauseln
Eine weitere Besonderheit, die den Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils einschränkt, sind die sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln. Diese finden sich häufig im sogenannten Berliner Testament. Mithilfe des Berliner Testaments setzen Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Dritte (oft gemeinsame Kinder) werden vom Erbe des erstversterbenden Ehegatten ausgeschlossen und erben dann, was der zweite Ehegatte hinterlässt.
Da das Erbe des länderlebenden Ehegatten nicht durch den Pflichtteilsanspruch eines enterbten Kindes bedroht werden soll, kann eine Pflichtteilsstrafklausel ins Testament aufgenommen werden. Die Klausel besagt, dass Kinder, die ihren Pflichtteil bereits nach dem Tod des ersten Ehegatten einfordern nach dem Tod des anderen Ehegatten nur den Pflichtteil bekommen, also enterbt werden. Die Kinder (oder andere Dritte) bekommen also bei Einforderung des Pflichtteil nach dem ersten Erbfall im Endeffekt weniger, als wenn sie bis zum zweiten Erbfall auf ihr Erbe warten. Diese Strafe soll den längerlebenden Ehegatten vor finanziellen Schwierigkeiten durch die Auszahlung des Pflichtteils schützen.
Pflichtteilsberechtigte sollten also das sie enterbende Testament gut kennen und sich bei Pflichtteilsstrafklauseln gut überlegen, ob sie trotzdem ihren Anspruch durchsetzen wollen.
Wird man über den Pflichtteil informiert?
Grundsätzlich kann der Erblasser zu Lebzeiten über sein Vermögen verfügen, wie er will. Dies gilt auch für die Enterbung von Pflichtteilsberechtigten. Doch wie erfahren die Pflichtteilsberechtigten von ihrer Enterbung, wenn z.B. kein Kontakt mehr zu den Eltern oder dem Ehegatten/Lebenspartner besteht und man vielleicht nicht einmal vom Tod des Erblassers erfährt?
Da die Enterbung immer auf einem Testament oder Erbvertrag beruht, existiert immer eine schriftliche Quelle für die Enterbung. Ohne Erbvertrag oder Testament kann es keine Enterbung geben. Ist das Testament z.B. dem Nachlassgericht übergeben worden oder befand es sich dort in amtlicher Verwahrung, so hat das Nachlassgericht das Testament unverzüglich zu eröffnen (§ 348 FamFG).
Mit der Eröffnung informiert das Nachlassgericht nicht nur die Erben über ihre Erbschaft, sondern in der Regel auch die enterbten Personen. Das Nachlassgericht hat die gesetzliche Pflicht, alle Personen zu ermitteln, die von dem Testament Kenntnis haben müssen, also z.B. auch enterbte Pflichtteilsberechtigte. Diese Personen werden dann über die sie betreffenden Passagen des Testaments informiert (§ 348 Abs. 3 FamFG).
In der Regel wird man also als enterbter Pflichtteilsberechtigter über seine Enterbung und eventuell über den das Bestehen eines Pflichtteils informiert. Das Nachlassgericht ist in dieser Phase als solches auch nicht von Amts wegen für Pflichtteilsansprüche zuständig.
Pflichtteil einfordern – In 5 Schritten zum Erbe
Um einen Pflichtteilsanspruch zu erhalten, muss dieser aktiv geltend gemacht werden. Das Nachlassgericht, das lediglich die Erben über ihre Erbschaft und die Pflichtteilsberechtigten über eine Enterbung informiert, ist nicht für den Pflichtteilsanspruch oder dessen Durchsetzung oder Geltendmachung zuständig.
Lediglich die Testamentseröffnung, die Auslegung des Testaments und die Ermittlung der Erben ist Aufgabe des Nachlassgerichts. Als Pflichtteilsberechtigter muss man sich innerhalb der Verjährungsfrist selbst um die Geltendmachung des Pflichtteils kümmern. Dies kann außergerichtlich oder – insbesondere bei Weigerung der Erben – auch gerichtlich geschehen.
Voraussetzungen für die Geltendmachung des Pflichtteils
- Der Erblasser ist verstorben und hat ein Testament oder einen Erbvertrag errichtet. Ohne Testament oder Erbvertrag ist eine Enterbung nicht möglich. Ist das Testament unwirksam, weil der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig war, ist eine Enterbung ebenso unwirksam. Gleiches gilt, wenn die Enterbung nicht eindeutig ist und das Testament auslegungsbedürftig ist. Auch dann kann die Enterbung unwirksam sein.
- Sie sind pflichtteilsberechtigt. Andere als die in § 2303 BGB genannten Angehörigen des Erblassers sind nicht pflichtteilsberechtigt.
- Sie bekommen aus dem Nachlass des Erblassers nichts, da Sie ausdrücklich oder konkludent enterbt worden sind. Wenn Sie als Pflichtteilsberechtigter zwar einen Erbteil erhalten haben, dieser aber geringer ist als der rechnerische Pflichtteil, können Sie einen Zusatzpflichtteil geltend machen, nicht aber einen Pflichtteilsanspruch.
- Es liegt weder ein Pflichtteilsverzicht noch eine Pflichtteilsentziehung vor.
- Der Pflichtteilsanspruch besteht noch und ist nicht verjährt. Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem man vom Tod des Erblassers und von der Enterbung Kenntnis erlangt hat (§ 195 BGB), spätestens jedoch in 30 Jahren ab dem Tod des Erblassers und der Kenntnis von der Enterbung (§ 199 BGB).
Außergerichtliche Geltendmachung des Pflichtteils
Bevor man daran denkt, die Erben oder die Erbengemeinschaft und damit gegebenenfalls seine Angehörigen zu verklagen, sollte man versuchen, seinen Pflichtteilsanspruch außergerichtlich geltend zu machen. Die Geltendmachung des Pflichtteils erfolgt gegenüber den Erben. Dabei sind verschiedene Schritte notwendig, um die genaue Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln.
Wert des Nachlasses und Nachlassverzeichnis
Damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch überhaupt genau beziffern kann, muss er wissen, wie hoch der Wert des Nachlasses ist. Ob die Erben/Erbengemeinschaft freiwillig und umfassend Auskunft geben, hängt meist davon ab, wie gut oder schlecht das Verhältnis zwischen den Beteiligten noch ist.
In den meisten Fällen sind die Erben nicht besonders erfreut, dass sie von „ihrem“ Erbe den Pflichtteil zahlen sollen und geben daher eher ungern Auskunft über den Nachlass und dessen Wert. Als Nichterbe ist man meist auch vom Informationsfluss bzw. vom Zugang zu allen Informationen abgeschnitten.
Daher besteht gemäß § 2314 BGB ein gesetzlicher Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Erben. Der Auskunftsanspruch geht so weit, dass ein Nachlassverzeichnis zu erstellen und der Wert der Nachlassgegenstände (professionell) zu ermitteln ist. Die Erben müssen sowohl über die Aktiva als auch über die Passiva des Nachlasses Auskunft erteilen. Hat man als Pflichtteilsberechtigter Zweifel an der Inventarisierung, kann man darauf bestehen, dass z.B. ein Notar das Inventar aufnimmt und ein Sachverständiger die Werte ermittelt. Die Kosten hierfür gehen zu Lasten des Nachlasses.
Berechnung und Ermittlung des Pflichtteils
Kennt man als Pflichtteilsberechtigter nun den Wert des Nachlasses, kann man sich an die Berechnung der Pflichtteilsquote machen. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also für den Fall, dass kein Testament vorliegt und die gesetzliche Erbfolge eintreten würde. Für Personen, die mit dem Erbrecht nicht vertraut sind, sind solche Berechnungen in der Regel kaum leistbar. Es empfiehlt sich daher, nicht nur die Berechnung des Pflichtteils, sondern auch die gesamte außergerichtliche und insbesondere die gerichtliche Geltendmachung des Pflichtteils einem erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalt anzuvertrauen.
Pflichtteil geltend machen
Kennt man den Wert des Nachlasses und hat die eigene Pflichtteilsquote ermittelt, kann man die Höhe des Pflichtteilsanspruchs berechnen. Dieser Betrag wird dann gegenüber den Erben geltend gemacht. Dies sollte unbedingt schriftlich geschehen. Ein solches Schreiben sollte auch immer per Einschreiben versandt werden, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Verjährung.
Aber auch hier gilt der Hinweis, dass Sie als Pflichtteilsberechtigter die außergerichtliche Geltendmachung Ihres Pflichtteilsanspruchs einem auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt überlassen sollten, um vermeidbare Fehler bei der Geltendmachung zu verhindern.
Pflichtteilsklage – So gelingt der Prozess
Es kann vorkommen, dass Erben die Auskunft über den Nachlass verweigern oder den Pflichtteil nicht auszahlen wollen. Gerade weil es in Erbschaftsangelegenheiten um Trauer, Familienstreitigkeiten und viele manchmal auch verdrängte Emotionen geht, kann die Geltendmachung des Pflichtteils neue Streitigkeiten und eine Verweigerungshaltung der Erben auslösen. So kommt es nicht selten vor, dass Erben die Auskunft verweigern oder die Auszahlung des Pflichtteils gänzlich ablehnen.
Ist dies der Fall, bleibt häufig nur der gerichtliche Weg, um den Pflichtteil geltend zu machen. Für die gerichtliche Geltendmachung stehen je nach Ausgangssituation zwei unterschiedliche Klagemöglichkeiten zur Verfügung.
Variante 1: Haben die Erben den Auskunftsanspruch über die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses erfüllt und erscheinen die Angaben zutreffend, kann der genaue Pflichtteilsanspruch im Wege der Zahlungsklage direkt gerichtlich geltend gemacht werden.Variante 2: Haben die Erben keine oder nur unzureichende Auskunft über den Nachlass und dessen Wert erteilt, muss der Pflichtteil meist im Wege der Stufenklage durchgesetzt werden.
Stufenklage
Bei der Stufenklage wird in der Regel in 3 Stufen gerichtlich vorgegangen:
Stufe 1: Die Erben sind gerichtlich zu verpflichten, dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses zu erteilen. Befinden sich im Nachlass Gegenstände, deren Wert von einem Laien kaum richtig eingeschätzt werden kann, hat der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf ein Wertgutachten durch einen Sachverständigen. Nur so kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil überhaupt berechnen, wenn die Erben eine solche Auskunft verweigern.
Stufe 2: Bestehen Zweifel an Wert und Bestand des Nachlasses, kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass die Erben die Angaben an Eides statt versichern.
Stufe 3: In der letzten Stufe der Stufenklage wird der genaue Pflichtteilsanspruch beziffert und gegenüber den Erben geltend gemacht. Aufgrund der letzten Stufe kann das befasste Gericht über den Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils entscheiden.
Praxisbeispiel aus der Rechtsanwaltskanzlei Diel
Die Mandantin erschien mit einem bereits von der Witwe und der Anwältin erstellten Nachlassverzeichnis. Hiernach gab die Anwältin an, dass unserer Mandantin ein Pflichtteil in Höhe von 250,00 EUR zustehe, da der verstorbene Vater die Immobilie in Bayern bereits vor mehreren Jahren an die Witwe und Alleinerbin übertragen hat. Aus dem notariellen Übergabevertrag ergab sich, dass die Übertragung zur Altersversorgung erfolgt sein soll. Die Anwältin erklärte in ihrem Schreiben unserer Mandantin, dass die Immobilie bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen sei.
Unser Vorgehen:
Nach Prüfung des Sachverhaltes und insbesondere des Nachlassverzeichnisses fiel auf, dass die Immobilie einen sehr hohen Wert hatte. Aus einer Weiterbildung war bekannt, dass in solchen Fällen die Immobilie tatsächlich vom Pflichtteil ausgeschlossen ist, aber nur in der Höhe wie auch die tatsächliche Versorgungslücke.
Ein Telefonat mit der Kollegin sowie ein kurzes Anschreiben zur Verdeutlichung unserer Position hat ergeben, dass die Anwältin die Rechtsprechung ebenfalls kennt.
Ergebnis:
Im Ergebnis erhielt die Mandantin einen Pflichtteil in Höhe von 35.000,00 EUR und Das Mandat wurde am 05.12.2022 angenommen. Am 26.06.2023 hat die Mandantin das Geld auf dem Konto gehabt.
Diese starke Abweichung mag eine Ausnahme sein. Aus anwaltlicher Praxis sehen wir jedoch regelmäßig Versuche, den Pflichtteil durch unberechtigte Angaben im Nachlassverzeichnis zu reduzieren.
Anwalt für Erbrecht in Hannover
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